Astrid Lindgrens Rede anlässlich der Preisverleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels im Jahr 1978
Astrid Lindgrens Rede ist zwar schon 45 Jahre alt, aber heute noch genauso aktuell wie damals. Gewalt an Kindern ist weltweit ein großes Problem und steht auf der Tagesordnung vieler kleiner schutz-befohlener Wesen auch in unserem Land.
Die Zahlen und Statistiken belegen dabei nur das, was offiziell sichtbar wird - man kann davon ausgehen, dass die Dunkelziffern der häuslichen und außerhäuslichen Gewalt an Kindern viel höher liegt.
"Dreizehn Kinder müssen täglich in Folge von Misshandlungen in Krankenhäuser – fast 5000 Misshandlungen erfasst die offizielle Statistik. Die Jugendämter holen jährlich rund 45.000 aus ihren Familien – zwei Drittel davon wegen akuter Kindeswohlgefährdung."*
Seit dem Jahre 2000 gibt es in Deutschland das "Gesetz zur Ächtung von Gewalt in der Erziehung" :
"Das Gesetz verankert das Recht auf gewaltfreie Erziehung in § 1631 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches:
„Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig.“
Zugleich wurde dem § 16 Absatz 1 des Achten Buches Sozialgesetzbuch folgender Satz angefügt:
„Sie [Angebote zur Förderung der Erziehung] sollen auch Wege aufzeigen, wie Konfliktsituationen in der Familie gewaltfrei gelöst werden können.“
Hat es etwas verändert? Ich denke, es hat in den Köpfen der Menschen eine neue Einstellung und neue Überlegungen zum Umgang mit Kindern in der Familie angeregt, hat uns bewusster gemacht, was es für sie bedeutet, physischer und psychischer Gewalt ausgesetzt zu sein. Aber wir wissen auch heute, dass Gewalterfahrungen in der Kindheit ein Muster in der Erziehung erzeugen, dass sich fortsetzt. Kinder, die heute geschlagen und misshandelt werden sind nicht selten künftige Täter und setzen diese "Erziehungsmethoden" später in der eigenen Familie wieder gegen die Kinder ein, oftmals ungewollt und impulsiv. Aber da unser Gehirn unter Stress nur erlernte und erfahrene Muster abruft, kann dieses Verhalten sicher nicht nur durch Recht und Gesetz verändert werden, sondern es Bedarf einer gutüberlegten und flächendeckenden präventiven Arbeit in der Familienbildung. Erwachsene junge Eltern müssen an die Hand genommen werden, brauchen niedrigschwellige Angebote in jeder Gemeinde.
Und wie sieht die Realität aus? In unserem Landkreis in Teltow Fläming gibt es für ca. 177.000 Einwohner gerade einmal 6 Familienzentren, die mit Mitteln des Landkreises "co-finanziert" werden. Das ist gerade einmal 1 Familienzentrum auf 30.000 Personen gerechnet, ein Armutszeugnis, wenn man weiss, dass auch in diesen Zentren die Angebote nicht kostenfrei und schon gar nicht ausreichend und flächendeckend vorhanden sind. Von Prävention kann da gar nicht die Rede sein, es gilt größere Schäden zu vermeiden, sprich, Kinder, die bereits Gewalt erfahren haben, in den Familien abzufangen bzw. den Eltern erst dann Hilfeangebote zu unterbreiten, wenn sie schon tief gefallen sind. Und anderswo sieht es nicht anders aus...
Hier reden wir auch nur über Gelder, die auf den untersten kommunalen Ebenen zur Verfügung gestellt werden. Schaut man auf die Landes-und Bundesebene sieht es aber nicht viel besser aus. Im aktuellen Bundeshaushalt 2023 sind gerade einmal 13.351.439.000€ für Ausgaben des Ministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugend eingestellt - bei 476.000.000.000€ Gesamtausgaben - das sind weniger als 3% des gesamten Bundeshaushaltes. Wenn man bedenkt, dass auch davon nur ein Bruchteil für Familienbildungsmaßnahmen zur Verfügung steht, dann ist das ein erschreckendes Bild was zeigt, welche Wertigkeit in diesem Land das gesunde und gewaltfreie Aufwachsen der Kinder hat! Im Gegensatz dazu werden knapp 12% des Haushaltes für Mittel der Verteidigung ausgegeben 🙈.
Auch wenn es frustrierend ist diese Zahlen zu lesen, dürfen wir nicht aus dem Blick verlieren, dass es viel zu tun gibt, um unsere Gesellschaft und die Menschen in diesem Lande in eine bessere Zeit zu führen. In der die Kleinsten von uns das Wichtigste und Wertvollste sind, was wir besitzen. Denn nur wenn wir in der Lage sind, unsere Kinder ohne Gewalterfahrung und psychisch gesund ins Leben zu entlassen, können wir davon reden, auf dem Weg in eine wirklich friedliche und friedvolle Zukunft zu sein.
Bitte unbedingt die Rede von Astrid Lindgren lesen, sie ist eine Pionierin auf dem Gebiet der gewaltfreien Erziehung und hat hier einige wirklich skandalöse Punkte zur damaligen Zeit angeprangert - ohne dabei ein Blatt vor den Mund zu nehmen:
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