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AutorenbildMenschheitsFamilie

Ein Mann - ein Fjord

Guido Westerwelle - eine Rede von Freiheit und Bürgerrechten, die es in sich hat!



Abschiedsrede von Guido Westerwelle auf dem Bundesparteitag der FDP am 13.5.2011 - man lasse sich jedes einzelne Wort, dass er dort gesprochen hat, auf der Zunge zergehen. Eine Rede, die es in sich hat - kaum vorstellbar, dass sich Christian Lindner heute in Rostock ans Rednerpult stellt und diese Sätze zitiert.


Was ist aus diesem Land geworden? Was ist aus diesen Politikern geworden? Was aus den Menschen und aus unseren Rechten als Bürger in einem Staat, der einmal Freiheit und Demokratie über alles gestellt hat - nein, stellen wollte...


Was für ein Mann - Guido Westerwelle, ich bewundere ihn 12 Jahre später und trauere um diesen Zustand, den wir aushalten müssen und der hoffentlich sobald wie möglich überwunden wird!


Unbedingt anschauen - Minute 5:40 bis zum Ende hat es in sich!!!


"Und meine sehr geehrten Damen und Herren, darum geht es in der Politik, darum geht es in Wahrheit auch in den Wahlkämpfen. Das ist es, was wir auch den Bürgerinnen und Bürgern immer wieder sagen müssen. Nämlich, dass es in der Politik, in den Wahlkämpfen, in der Auseinandersetzung der Demokratie nicht darum geht, dass Parteien sich untereinander reiben, dass Parteien sich streiten, dass Parteien miteinander ringen. Es geht in der Demokratie nicht um den Wettbewerb von Parteien. Es geht in der Demokratie um den Wettbewerb der Geisteshaltungen, die dahinterstehen. Wir stehen eben für eine Geisteshaltung. Und für die treten wir ein. Alle anderen Parteien entscheiden sich im Zweifel für die Ordnung oder die Gleichmacherei. Es braucht eine Partei in Deutschland, die sich im Zweifel immer und immer wieder, bei all den Kompromissen, die man machen muss im Leben, für die Freiheit entscheidet. Und Freiheit hat mal bessere Konjunktur und hat mal schlechtere Konjunktur, mal ist der Zeitgeist auf den Staat getrimmt, und dann kommen auch wieder Zeiten, in denen die Bürger sagen „Wir sind das Volk!“. Wir sind die Bürgerinnen und Bürger. Die Kraft eines Landes ist die Gesellschaft und nicht die staatliche Bevormundung. Und deswegen: Ob es ein Auf ist mit der Freiheit oder ein Ab ist mit der Freiheit - wir sind die einzige Partei in Deutschland, die sich im Zweifel für die Freiheit entscheidet. Im Zweifel für die Freiheit zur Verantwortung, nicht von Verantwortung. Freiheit und Verantwortung, das ist für uns dasselbe. Das sind zwei Seiten derselben Medaille. Das braucht Deutschland. Das braucht auch die Politik in Deutschland.


Stefan Zweig schreibt in seinem Buch „Castellio gegen Calvin“, und ich zitiere es wörtlich: „Geschichte ist Ebbe und Flut, ewiges Hinauf und Hinab, nie ist ein Recht für alle Zeiten erkämpft und keine Freiheit gesichert gegen die immer andersgeformte Gewalt.“


Geschichte ist Ebbe und Flut, ewiges Hinauf und Hinab.


Meine Damen und Herren, natürlich leben wir in Deutschland nicht in Zeiten, wo eine Freiheitsbedrohung von Gewalt ausgeht. Sondern sie kommt anders daher. Die Freiheitsbedrohung in Deutschland kommt nicht laut mit Gewalt daher, sondern sie kommt leise. Sie kommt mit allerlei Begründungen daher. Mit oftmals auch gut gemeinten Begründungen. Zum Beispiel, wenn es um die Bürgerrechte geht. Zeiten, wo wir alle Sorge haben wegen Terrorgefahr. Wo wir alle natürlich auch alles tun müssen für unsere Bürgerinnen und Bürger, damit sie unversehrt ein glückliches Leben führen können. In solchen Zeiten kommen dann Parteien und Politiker und sagen, das ist die Zeit, wo man wieder mal günstig Bürgerrechte, die uns sowieso immer ein wenig stören, scheibchenweise reduzieren kann. Freiheit stirbt immer zentimeterweise, hat Karl Hermann Flach einmal formuliert. Und Freiheit stirbt nicht durch Politiker. Sie stirbt nicht dadurch, dass man Bürgerrechte und Freiheitsrechte von Politik Wegen einschränken will. Sondern es wird dann gefährlich für die Freiheit, wenn die Bürgerinnen und Bürger ihr eigenes Immunsystem vergessen, das sie wappnen muss gegen jede Freiheitsbedrohung. Und für mich ist dies das entscheidende Selbstverständnis unserer Partei: dass wir sagen, für uns kommt zuerst der Bürger und dann der Staat. Andere Parteien vertrauen zuerst dem Staat und vertrauen erst dann dem Bürger. Man kann mit dem Vorwand, dass man zusätzliche Sicherheit schaffe, jedes Bürgerrecht in Zweifel ziehen. Man kann mit dem Vorwand, die Sicherheit brauche dieses oder jenes, jede gesetzliche Verschärfung beschließen. Wir wehren das ab, wo wir können: in der Bundesregierung und im Parlament.


Aber, meine Damen und Herren, wir brauchen auch die Bürgerinnen und Bürger. Wir brauchen auch selbstbewusste Bürgerinnen und Bürger, die sich den Satz nicht gefallen lassen „Wer nichts zu verbergen hat, soll sich doch gefälligst nicht beklagen“. Nein, wir wollen ein Volk von selbstbewussten Staatsbürgern und nicht von Staatskunden, nicht von Untertanen. Bürgerrechte zu verteidigen, das ist die heilige Aufgabe der FDP zu allen Zeiten: in der Vergangenheit und auch in Zukunft, meiner sehr geehrten Damen und Herren.


Freiheit zur Verantwortung ist die unbequemste Botschaft. Weil sie fordert. Freiheit wollen alle haben. Aber die Verantwortung, die damit verbunden ist, zu übernehmen, da wird es dann schon schwieriger. Es ist fordernd, es ist anstrengend, strapazierend. Aber, meine Damen und Herren, dennoch ist absolut richtig, dass wir uns in Zeiten, wo Staatsbevormundungen bei einer bestimmten Konkurrenzpartei als liberal ausgelegt werden, so etwas nicht gefallen lassen. Wer mir morgens schon erklären will, was ich frühstücken soll, welches Auto ich fahren, wohin ich in Urlaub zu fliegen hätte, sprich: welchen Lebensentwurf ich leben sollte, der ist doch nicht liberal. Der ist gefährlich für die Liberalität in unserem Lande. Das hat mit Freiheit nichts zu tun und mit Liberalismus auch nichts, meine Damen und Herren.


Und das gilt natürlich auch für die Frage der Gleichheit. Gleichmacherei - auch sie ist eine Gefährdung für Freiheit und für die Freiheitsrechte. Was macht Freiheit aus? Eine freie Gesellschaft ist eine vielfältige Gesellschaft, ist eine Gesellschaft, die Vielfalt wünscht und nicht Einfalt. Das war doch das Besondere des Aufbruchs. Auch nach der deutschen Einheit. Ich weiß noch, als ich zur deutschen Einheit unterwegs gewesen bin in den damals noch sogenannten neuen Bundesländern. Hierauf gefahren bin, zum ersten Mal bis rauf nach Saßnitz. Ich habe hier Veranstaltungen in kleinsten Räumen gemacht. Und wie grau die Dinge gewesen sind. Wie gleichförmig vieles gewesen ist. Wie die Farbe und die Vielfalt gefehlt haben. Und, meine Damen und Herren, das war nicht mangelnder Wille oder mangelnde Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger. Es war das System. Deswegen möchte ich sagen: Die Freiheit in unseren Tagen wird auch gefährdet durch die Sehnsucht von manchen nach der totalen Gleichmacherei. Die Methode „lieber alle gleich schlecht, bevor einige etwas besser dastehen könnten“ - und es damit aber insgesamt besser läuft - diese Methode ist vor der Geschichte gescheitert.


Menschen sind alle gleich, vor dem Gesetz. Ansonsten sind Menschen höchst unterschiedlich. Und liberale Politik macht sich auf den Weg, die Unterschiedlichkeit der Menschen zu schützen und zu achten. Das ist die aktive Toleranz, die wir leben. Nicht Gleichgültigkeit gegenüber dem anderen, sondern wir freuen uns über die Bereicherung des eigenen Lebens, wenn ein anderer anders lebt und anders denkt. Das ist die Vielfalt einer Gesellschaft, für die Liberale eintreten, meine sehr geehrten Damen und Herren."




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